erschienen am 10.01.2020 – Albumkritik

Balbina verfolge ich seit 2017, nachdem sie in Kooperation mit MIA. eine Neuauflage des Klassikers „Alles neu“ veröffentlicht hat.
Begeistert vom Style, der Stimme und prinzipiell vom theatralischen Erscheinungsbild verfolgte ich die vergangenen und noch kommenden Single Veröffentlichungen.
Nun steht das neue Werk „Punkt.“ in den Läden und allen gängigen Streaming-Plattformen zur Verfügung. Nachdem die ersten drei Singleauskopplungen „Weit weg.“ feat. Ebow, das Rammstein Cover „Sonne.“ und „Machen.“ mit niemand geringerem als Herbert Grönemeyer als Duettpartner schon sehr vielversprechend klangen, machte ich mich gespannt an meinen ersten Hörversuch.
Der Opener „Hinter der Welt.“ lässt erahnen wohin die Reise auf diesem Album gehen wird. Abwechselnd in englischer und deutscher Sprache gesungen legt er das Stimmungsbrett für das Album fest. Wer Balbina neu für sich entdeckt, wird hier wohl noch nicht ganz von der Künstlerin überzeugt sein.
„Weit weg.“ feat. der deutschen Rapperin Ebow ist bereits beim ersten Hören einer meiner absoluten Favoriten auf diesem Album. Anfangs sehr alternativ, unstrukturiert, bewusst schwierig ins Ohr gehend und dann auf einmal eine Kehrtwende ins absolut poppige, eingängig und definitiv mit Ohrwurmcharakter. Da verzeiht man auch den „…dabei bin ich doch nur um die Ecke.“ Part.
In erster Linie muss ich beim Track „Wanderlust“ an Björks Veröffentlichung vom Jahr 2007 denken (starke Empfehlung, wenn die Stimmung passt). „Wanderlust“ kommt recht plätschernd und umaufregend daher. Eher weniger einprägsam und wahrscheinlich sticht der Song nur für mich heraus, da Balbina das „r“ so schön rollt.
„Blue Note.“ ebenfalls ein in deutsch-englischer Sprache gesungener Song war laut Balbina ein Schlüsselsong beim Albumentstehungsprozess, da sie sich anfangs nie erlauben wollte in Englisch zu singen. Da Balbina beim Schreiben des Songs mit einem englischsprachigen Songwriter aber keine bessere und passendere deutsche Übersetzung eingefallen ist, hat sie in diesem Moment beschlossen diese sich selbst aufgebaute Mauer zu sprengen, um den eigenen Horizont zu erweitern. Herausgekommen ist ein schöner Song, sehr sehr radiotauglich, sehr glatt ohne schleimig zu wirken. Das Experiment ist gelungen.
„Augenblick.“ erinnert an die Balbina wie ich sie vor Jahren kennengelernt habe. Ein schönes Liebeslied an die Augenblicke die das Leben bringt. Wenn man so schön singt, dann will man auch wirklich bleiben. Für immer. Für immer.
Der Song „Langeweile.“ klingt anfangs sehr vielversprechend. Höre ich eine leichte rockige Komposition zu beginn… Bilde ich mir das Gitarrenriff ein? Sehr euphorisch… bis… zum… „lalala“ Part. Der Song verliert an Spannung, der Refrain wirkt im Vergleich zu den immens guten Strophen recht langweilig. Passend. Aber trotzdem. Die Strophen könnte ich in Dauerschleife hören, aber das „lalalalalangeweile lala“ geht bei mir leider gar nicht – außer auf die Nerven.
„Sonne.“ eine Cover von Rammstein. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, dass sich Balbina an diesen Song herantraut und war unglaublich gespannt wie wohl die Umsetzung sein wird. Von Rammstein Fans auf Youtube großteils zerrissen, muss ich aber sagen, dass das Cover echt gelungen ist. Der Song wächst, wird größer und größer… das Soundgewand bläst sich auf. Platzt und ist „aus“.
Wahnsinnig gut daher kommen die elektronischen Elemente, die dem Song beigemischt wurden. Sehr mutig und eine unerwartet gute Neuinterpretation, die keineswegs das Original schmälert.
Der Titelsong „Punkt.“ muss nach dieser immensen Theatralik erstmal bestehen. War Rammstein die Inspiration zum neuen rollenden „r“? Auch hier wieder stark zu erkennen.
Leider ergeht es mir ähnlich wie bereits beim Song „Langeweile.“. Die Strophe gefällt mir sehr, sehr gut, aber der Refrain packt mich nicht. Es klingt ein bisschen wie ein Fülltrack. Dabei gibt es ja die vier „Zwischenspiele“ auf dem Album.
„Kein Ende.“ muss unbedingt eine Single Auskopplung werden. Dieser Song hat es meiner Meinung nach verdient ein Video zu bekommen. Da nehme ich sogar noch mehr „Nike-Produktplatzierung“ in kauf. Hätte mich jemand gefragt, dann wäre das „Zwischenspiel 3“ und im Anschluss dieser Song der Opener des Albums geworden. Da will man wirklich nicht, dass das eine Ende nimmt. Ich verliere mich in Balbinas Stimmgewalt und den überraschenden Sequenzen und Umbrüchen des Songs. Ganz großes Kino und wahrscheinlich der beste Song des Albums – für mich. (Anm. d. Red.: Wie konnte mir das entgehen… „Kein Ende.“ Wurde bereits als erstes Video am 07.10.2019 ausgekoppelt. Eine gute Entscheidung.)
Der letzte Song „Machen.“ feat. Herbert Grönemeyer ist der Song, der sich lyrisch am öftesten wiederholt (siehe „Langeweile.“), jedoch finde ich das ständige „mamama…mememe“ gar nicht so störend. Im Gegenteil. Mir gefällt der Song, mir gefällt das zugehörige Video und auch Herr Grönemeyer passt überraschend gut in den Song und bringt ihn auf eine neue Ebene. Ein gutes Ende. Punkt.
Ich werde Balbinas Reise gespannt weiter verfolgen und bin mir sicher, dass diese spannende Künstlerin, sowohl visuell als auch mit ihrer besonderen Stimme noch einiges auf Lager hat und die deutschsprachige Musiklandschaft weiterhin bereichern wird.
4/5 Sterne von nice-shice